Rockstar und Gastwirt: Zum Schneider serviert New Yorks beste Schweinehaxn

Süddeutsche Zeitung
by Evelyn Pschak


Mit jedem Menschen, der München verlässt, wird die Stadt ärmer. Die neue Heimat profitiert allerdings von den Projekten und Ideen dieser Leute – und wird, wenn man so will, ein Stück weit münchnerischer. Die Serie „Münchner im Exil“ beschäftigt sich mit den Bayern in der Fremde.

Eigentlich, sinniert Sylvester Schneider über ein schaumgekröntes Weißbier hinweg, wollte er in New York Rockstar werden. Aber schneller als der Plattenvertrag kam der Nachwuchs. Da lebte
der gebürtige Weßlinger schon in Alphabet City, dem Viertel im East Village, in das deutsche Immigranten bereits vor 150 Jahren kamen, um sich eine neue Heimat aufzubauen. Er eröffnete im Sommer 2000 ein bayerisches Lokal an der Avenue C, nannte sie mangels Grünflächen den „Indoor-Biergarten Zum Schneider“ und verzichtete auf die Musikkarriere. Das mag vielleicht ein Verlust für die Musikwelt sein. Aber es ist ein Glück für Bayerns versprengte Seelen in den langen Straßen Manhattans.

Drinnen im Lokal stemmen sich weit in den Raum greifende Gipsbäume gegen den rostroten Klinker. Die schlichten Holztische und Bänke überwölbt ein Stoffbahnenhimmel im bayerischen Bicolore. Draußen künden Sonnenschirme und karierte Tischdecken vom Hofbräu in München. Wäre nicht die typisch amerikanische, gusseiserne Feuerleiter bis knapp über die Eingangstür heruntergelassen, wer wähnte sich schon in New York. Von eher kribbeliger Gemütlichkeit ist dieser urige Laden, das mag am Chef liegen: Ob der 48-Jährige als Mösl Franzi mit seiner polkalastigen Oompah Band die keusche „Rosamunde“ besingt, mit dem FC Schneider Fußballturniere in Chinatown bestreitet oder Schmankerl aus der 15-Quadratmeter-Küche trägt.

Gerade erst sei der österreichische Chefkoch vom neuen Edel-Heurigen gegenüber reingekommen und hätte zugegeben, „de Haxn, die du host, kriagst net amoi in Österreich oder Bayern“. Schneiders Bairisch ist nicht von Amerikanismen durchsetzt, eher färbt er die ihm fremden Vokabeln weißblau. Etwa wenn er von seinem TV-Auftritt bei Jay Leno erzählt. Ein Bestandteil der Late-Night-Show war damals ein Mitarbeiter, der für ein „Internship“ durch ganz Amerika reiste, um Kurioses aus dem Land vorzustellen, das „Zum Schneider“ war darunter. Er hat seinem Besucher beigebracht, wie man Weißwurst zuzelt.

An den Sonntagen bis Weihnachten wird zum Adventssingen geladen. Da reihen sich alle bei Plätzchen und Stollen, den Schneiders Mutter alljährlich aus Weßling schickt, um die Gesangsbücher und singen deutsches Liedgut. Ein paar Glühweine später wird es mit „Jingle Bells“ dann schmissig und kulminiert beim vielstimmigen „The 12 days of Christmas“. „Da wollen alle immer die 5. Strophe singen“, sagt Schneider. Die sei am schmissigsten – und schon intoniert er in kräftigem Bariton die Verse. Vielleicht wird es mit dem Rockstar ja doch noch was.